Commissario Montalbano 15 - Der Tanz der Moewe by Andrea Camilleri
Autor:Andrea Camilleri [Camilleri, Andrea]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Krimis & Thriller, Italien
ISBN: 9783785749456
Herausgeber: BASTEI LÜBBE
veröffentlicht: 2014-04-15T00:00:00+00:00
Elf
Als er aus der Eingangstür trat, ging ihm der Gedanke durch den Kopf, dass Manzella nicht einfach umgezogen war. Es sah mehr nach einer Flucht aus. Als hätte er untertauchen wollen, ohne irgendwelche Spuren zu hinterlassen.
Montalbano fuhr mit dem Wagen um die nächste Ecke, um nicht die Aufmerksamkeit der Bewohner des Blocks zu erregen. Dann zog er die Briefe aus der Tasche.
Der erste kam aus Palermo und war mit »Deine Dich liebende Schwester Luciana« unterschrieben. Ein nicht enden wollendes Lamento: Die neunzigjährige kranke Mutter brauche Unterstützung, Lucianas Mann sei ein ausgemachter Wüstling, den Sohn könne man ebenfalls abschreiben, da er sich in ein Mädchen verguckt habe, das wie eine Heilige tat, aber in Wirklichkeit ein durchtriebenes Luder war und sich sogar Unterwäsche von dem Jungen kaufen ließ … Kurz gesagt, sie versuchte, bei ihm Geld lockerzumachen.
Der zweite war von einem gewissen Sebastiano und kam aus Messina. Er schrieb, es gehe ihm gut, er sei vernünftig geworden und habe endlich die Liebe seines Lebens gefunden. Von seiner großen Liebe lag ein Foto bei. Es zeigte einen Marinesoldaten um die fünfundzwanzig mit niedriger Stirn, Segelohren und Pferdegebiss.
Er war mindestens eins neunzig groß und posierte wie ein Athlet, aber seine Beine waren so krumm, dass sie ein perfektes O bildeten.
Das zeigt mal wieder, Liebe macht blind, dachte Montalbano.
Den dritten und letzten Brief, der aus Vigàta kam, las er zweimal.
Dann fuhr er los, zunächst ins Kommissariat, wo er die ersten beiden Briefe in seine Schreibtischschublade legte. Den dritten nahm er mit nach Marinella.
Es war eine milde, sternenklare Nacht, kein Lüftchen wehte. Der Mond hing nicht über den Gärten, sondern ließ sich von den Wellen schaukeln. Der Herbst spürte vermutlich, dass seine Tage gezählt waren, und überließ sich in melancholischer Wehmut der Vergänglichkeit.
Montalbano hatte auf der Veranda einen großen Teller Pasta ’ncasciata verschlungen, die Adelina im Backofen für ihn bereitgestellt hatte. Eigentlich wäre es eine Mittagsmahlzeit gewesen, aber glücklicherweise machte seine Haushälterin keinen Unterschied zwischen Mittags- und Abendgerichten. Und manchmal musste der Commissario dafür büßen. Bestimmt auch diese Nacht, denn ein Makkaroniauflauf mit Auberginen konnte schwer im Magen liegen. Mit einem Seufzer stand er auf, ging ins Haus und setzte sich an den Tisch, auf den er den an Filippo Manzella adressierten Brief gelegt hatte. Er nahm ihn sich zum dritten Mal vor.
Ippo,
erklär mir bitte, warum Du mich plötzlich nicht mehr sehen willst.
Ich habe Dutzende Male versucht, Dich auf dem Handy zu erreichen, aber nie bist Du rangegangen. Warum? Vielleicht hat mich ja jemand bei Dir schlechtgemacht. Das sind doch nichts als Lügenmärchen, und Du Dummerchen hast es geglaubt. Das in Fiacca, falls man Dir davon erzählt hat, war nur ein Ausrutscher. Du fehlst mir, aber abgesehen davon müssen wir uns unbedingt treffen und alles klären. Es könnte nämlich Folgen haben. Es liegt in Deinem eigenen Interesse, verstehst Du?
Also ruf mich an. G.
Der Brief war in einwandfreiem Italienisch geschrieben, an eine Adresse in Vigàta gerichtet und in Vigàta aufgegeben worden. Auffällig war der bedrohliche Wechsel des Tonfalls in den letzten Zeilen. Wenn Manzella mit der Freundin G.
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